My home is my castle – Teil 1

My home is my castle – Teil 1

Nein, es geht auch in diesem Beitrag noch nicht um Mülltrennung und Plastiksackerl, sondern um eine viel grundlegendere Lebensentscheidung, die aber großen Einfluss darauf hat, wie nachhaltig wir unseren Alltag gestalten können: die Frage, wie und wo wir wohnen. Immerhin sind 40% des Primärenergieverbrauchs und 36% der Treibhausgasemissionen der EU dem Gebäudesektor zuzuschreiben (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352710218306053?via%3Dihub).

Gleich vorweg: ich will hier nicht utopisch sein. Im Großteil der europäischen Städte sind die meisten Menschen froh, wenn sie überhaupt eine leistbare Wohnung finden und auf grundlegende Fragen wie die Wahl der Baumaterialien oder das Heizungssystem hat man meist begrenzten Einfluss. Zwar gibt es immer mehr Initiativen von Leuten, die sich zusammentun und dann gemeinsam ein Wohnhaus nach ihren Wünschen errichten, aber dafür muss man erst einmal das nötige Kapital, Ausdauer und eine gewisse Leidenschaft fürs Häuserbauen mitbringen.

Ich selbst hatte das Glück, mir meine derzeitige Wohnung relativ frei aussuchen zu können und habe sie vor allem aus ökologischen Gründen ausgewählt. Ich wohne in einem Niedrigenergiehaus mit Fassadenbegrünung und intelligentem Wärmenutzungskonzept, bei dem die Abwärme benachbarter Bürogebäude zur Warmwassererzeugung genutzt wird. Ich lebe auf 32 m² (das war das kleinste, was ich finden konnte) und finde das abwechselnd völlig ausreichend und (vor allem, wenn es daran geht, diese 32 m² zu putzen) ziemlich groß. Außerdem liegt meine Wohnung so zentrumsnah, dass ich alle Orte, die ich regelmäßig ansteuere, bequem mit dem Fahrrad erreichen kann.

Je länger ich hier wohne, umso mehr werden mir aber auch die weniger vorbildlichen Aspekte meiner Wohnsituation bewusst: zwar fällt mein Gebäude noch in den Bereich Niedrigenergiehaus, ist mit Energieeffizienzklasse xxx aber eher am unteren Rand dieser anzusiedeln , was für einen Neubau doch recht unambitioniert ist. Entwicklungen im Bereich der Energieeffizienz von Gebäuden verlaufen gerade sehr dynamisch, weshalb man sich immer am maximal Möglichen statt an den gesetzlichen Mindeststandards orientieren sollte. Denn Gebäude sind sehr langlebig und Entscheidungen, die wir hier treffen haben großen Einfluss auf die Emissionen der Zukunft. Zudem wird die Wärme, die nicht von unserem super-intelligenten System bereitgestellt werden kann, mittels Gasheizung zugeschossen. Warum nicht über Fernwärme? Es gibt kein Konzept zur Nutzung von Regenwasser (z.B. für die Bewässerung der Fassadenbegrünung), die Gehwege im Umkreis sind großteils versiegelt und auch die Anpassung an sommerliche Hitzewellen wurde mit schwarzen Fassaden der Nachbargebäude und fehlenden Außenjalousien an den Fenstern eher vernachlässigt.

Jammern auf hohem Niveau könnte man zu recht nennen. Ich fühle mich auch trotzdem äußerst wohl in meiner Wohnung. Es geht mir vielmehr darum, dass die Bauordnung und Städteplanung allgemein meiner Meinung nach noch deutlich innovativer werden müssen, wenn wir die Klimaziele der nächsten Jahre erreichen wollen. In letzter Zeit ist das Problembewusstsein z.B. mit Initiativen zu mehr Straßenbegrünung zwar gestiegen, aber es gibt auch noch viel Luft nach oben.

Natürlich wäre es zu einfach, wenn das das Ende der Geschichte wäre. Ein super-innovatives und energieeffizientes Gebäude zu entwickeln, ist eine Sache, die andere Frage ist, wo man es hinstellt. Immer noch werden in Österreich pro Tag xx ha an Flächen versiegelt, für Gebäude und die Infrastruktur die sie nach sich ziehen, wie beispielsweise Straßen. Abgesehen davon ist die Zementproduktion einer der energieintensivsten Wirtschaftssektoren und der ungebremste Abbau von Sand führt in vielen Regionen bereits zu gravierenden Problemen (link). Gleichzeitig landen Baurestmassen vom Abbruch alter Gebäude derzeit großteils auf Deponien. Eine der zentralen Herausforderungen im Gebäudesektor wird also sein, die Lebensqualität und Nachhaltigkeit in bereits bestehenden Gebäuden zu verbessern und vermehrte Möglichkeiten zum Recycling verschiedener Gebäudeteile zu schaffen.

Praktische Tipps:

·        Standort
Weil Wohnung und Mobilitätsverhalten stark verknüpft sind, sollte man schon bei der Wahl der Wohnung beachten, wie sich alltägliche Wege vom jeweiligen Standort aus zurücklegen lassen.
Gerade in Wien bin ich übrigens der Meinung, dass es mit Prater, Wienerwald und Donauinsel auch innerstädtisch genug Erholungsgebiete gibt, wo man Natur sogar eventuell besser erleben kann als in einem Garten mit Swimmingpool und Grillterrasse und wo Kinder ungestört und sicher spielen können.
Damit möchte ich nicht sagen, dass alle Menschen in Städte ziehen sollen, im Gegenteil auch der Erhalt dörflicher Strukturen ist wichtig und sicher kann man auch auf dem Land ein nachhaltiges Leben führen. Ob das im großstädtischen Speckgürtel ebenfalls möglich ist, bin ich mir dagegen nicht so sicher…

·        Größe:
Das Platzbedürfnis verschiedener Menschen ist unterschiedlich und da die eigenen vier Wände ein wichtiger Rückzugsort sind, sollte man sich dort unbedingt wohl fühlen. Vor allem, wenn mehrere Menschen zusammenleben (egal ob als Familie oder WG) ist es wichtig, dass jede/r genug Privatsphäre hat. Aus ökologischer Sicht gilt trotzdem: je kleiner desto besser und je mehr Menschen eine Küche oder ein Badezimmer benutzen, umso effizienter.
Jedenfalls sollte man die Wohnungsgröße an alltäglichen Bedürfnissen ausrichten und nicht, wie einer meiner Professoren an der Uni zu sagen pflegte, für die Jubiläumsgeburtstagsfeier zu der man 100 Gäste eingeladen hat.
Und noch ein kleiner Tipp am Rande: wer auf kleinerem Raum lebt, läuft auch weniger Gefahr, alles Mögliche unnötige Zeug anzuhäufen 😉

·        Wärme und Energie:
Dazu wird es wahrscheinlich noch mehr in einem der nächsten Beiträge geben. Ein grundlegender Anhaltspunkt ist aber jedenfalls der Energieausweis

·        Für alle die selbst Häuser bauen oder in der Bauwirtschaft tätig sind: Das Baukarussell (link) ist eine Firma, die bei Abbrucharbeiten beraten und Erzeuger und Abnehmer von Recyclingmaterialien miteinander vernetzen.

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