Zahlenspiel

Wer Meli und Stefanos vierten Podcast gehört hat, kennt die Diskussion über Verzicht auf Nachwuchs aus Klimaschutzgründen bereits. In die Aufmerksamkeit gerückt ist das Thema vor allem durch eine in Nature publizierte Studie, die jedem (in einem westlichen Industriestaat geborenen) Kind pro Jahr 20-mal so viele Emissionen zuschreibt wie einem Langstreckenflug. Auch sonst höre ich in meinem Bekanntenkreis immer häufiger, die Wurzel allen Übels läge darin, dass wir einfach zu viele Menschen auf der Erde sind.

Ich habe mich lange gegen dieses Argument gesträubt. Vielleicht ein bisschen unter dem Einfluss von Population Boom, einer Dokumentation von Werner Boote aus dem Jahr 2013, vielleicht weil es zu oft in Zusammenhang mit dem Hinweis darauf, dass „bei uns“ die Fertilitätsraten ohnehin schon niedrig sind, gekommen ist. Jedenfalls, weil die Feststellung, dass wir zu viele sind, unweigerlich die Frage nach sich zieht, wer dann zu viel ist und damit kommt man schnell in moralisch und ethisch bedenkliche Gebiete. Aber:

Nach derzeitigem Stand wird die Bevölkerung bis 2100 auf 11 Milliarden Menschen anwachsen. Bei gerechter Verteilung entspricht das einem ökologischen Fußabdruck von 0,9 gha. Zum Vergleich: Mein „Rekord“ liegt bei 2,5 gha und das in einem Jahr, in dem ich mich vegan ernährt, meinen Urlaub zuhause verbracht und weniger als 1000 km mit dem Auto (bei durchschnittlicher Besetzung von drei Personen) zurückgelegt habe. 0,9 gha entsprechen in etwa dem Lebensstandard in Nordkorea. Natürlich sind Wohlstand und vor allem Lebenszufriedenheit und steigende Umweltzerstörung nicht zwingend aneinander gebunden. Trotzdem braucht es für jede Art von Infrastruktur, egal ob physisch oder digital immer auch Ressourcen und Energie. Wenn nicht unmöglich, so wird es auf jeden Fall sehr, sehr schwer bei einer Bevölkerungsentwicklung nach derzeitigem Trend Nachhaltigkeit ohne Wohlstandseinbußen zu verwirklichen.

Umgekehrt geht es sich aber genauso wenig aus (zumindest nicht ohne eine globale Katastrophe, die sich hoffentlich niemand wünscht). Angenommen, man möchte allen Menschen den gleichen Lebensstil wie einer/einem durchschnittlichen Österreicher/in zugestehen, böte die Erde Platz für etwa 2 Milliarden Menschen. Im Moment sind wir knapp 8 Milliarden. Selbst bei sofortiger und konsequenter globaler Umsetzung einer Ein-Kind-Politik würde es (ungeachtet aller sonstigen gesellschaftlichen Probleme, die sich daraus ergeben würden) über 90 Jahre dauern, bis wir ein „nachhaltiges“ Bevölkerungsniveau erreicht hätten. Maßnahmen zum Klimaschutz sind aber ganz dringend jetzt notwendig.

Man wird also nicht darum herumkommen, beide Bereiche ambitioniert anzugehen.

Praktische Tipps

.Gibt es diesmal keine. Familienplanung ist eine sehr persönliche Sache, bei der Aspekte der Nachhaltigkeit nur einer unter vielen sind und das soll, finde ich, auch so bleiben. Stattdessen gibt es ein paar nähere Erläuterungen, wie ich auf die Zahlen in diesem Beitrag gekommen bin: 

Alle Angaben zur Bevölkerungszahl und –prognose stammen vom World Population Prospect 2019 der UN (https://population.un.org/wpp/DataQuery/), bei jenen zum ökologischen Fußabdruck stütze ich mich auf das Global Footprint Network (http://data.footprintnetwork.org/#/) – dort ist das Konzept und wie es berechnet wird auch gut beschrieben. Die globale Biokapazität beträgt 12 Milliarden gha, auf 11 Milliarden Menschen aufgeteilt ergeben sich also die oben genannten 0,9 gha pro Person. Der durchschnittliche ökologische Fußabdruck in Österreich beträgt 6 gha, mit 12/6=2 kommt man also auf eine Tragfähigkeit von 2 Milliarden Menschen. Für die Bevölkerungsentwicklung unter ein-Kind-Politik bin ich von der derzeitigen Altersverteilung und Lebenserwartung der Bevölkerung ausgegangen und habe angenommen, dass alle fünf Jahre genau so viele Kinder geboren werden, wie es der Hälfte der Menschen, die in diesem Zeitabschnitt zur Gruppe der 25-30-jährigen gehören, entspricht. Das ist natürlich eine sehr grobe Schätzung, aber es geht ja schließlich auch nicht darum, hier exakte Daten zu präsentieren, sondern eher, die Größenordnungen ein bisschen zu veranschaulichen.

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